Verein zur Unterstützung psychisch Kranker in Rumänien, Ravensburg






2003 hörten wir von „schlechten Zuständen“ in einer psychiatrischen Klinik in Borșa (circa 50 km westlich von Beclean) und fuhren hin. Nach dreizehn Jahren unserer Tätigkeit in Beclean hätten wir es nicht für möglich gehalten, dass es solch verelendete Verhältnisse wie 1990 noch gibt – doch in Borșa war es so, als ob die Zeit stehen geblieben wäre.

Brigitte Hürlimann, damals Gerichtsreporterin der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), war 2003 mit dem Fotografen Peter Dammann eine Woche zu ersten Recherchen mit uns in Borşa. Nach vielen Interviews mit Patientinnen, Patienten und Personal über ihre Lebenslage in der Klinik entstand dieser Artikel, der in der NZZ veröffentlicht wurde und viele Spenden aus der Schweiz zur Folge hatte.

durch das Fehlen von sanitären Anlagen, durch gegenseitige Ansteckung (Tbc, Syphilis), mangelnde medizinische Versorgung, Mangel an ausreichender Kleidung und Schuhen (insbesondere im Winter), eiweiß - und vitaminarme Ernährung, Perspektivlosigkeit (Hospitalismus) und mangelnde menschliche Zuwendung. Die Lebensverhältnisse schädigen und quälen die Patienten und führen bei vielen zum frühzeitigen Tod – die Sterberate lag bei 10 Prozent im Jahr.




Die noch vorhandenen alten Räume für Beschäftigung ließen wir instand setzen. Wir finanzierten Materialien und Personal. Da die Platzverhältnisse für die 220 Patienten nicht ausreichend waren, begannen wir 2004 mit dem Bau des Arbeitshauses. 2006 war es endlich fertig, dank dem energischen Einsatz unserer lebenserfahrenen Bautruppe aus Oberschwaben, angeleitet von Franz Wohnhaas. Die Inbetriebnahme sicherte die Kunsttherapeutin Anja Hellstern aus Tübingen; sie arbeitete sechs Monate hier mit PatientInnen. Ihr gelang es, die Beschäftigung der Patienten
als feste Einrichtung zu etablieren. Ihr verdanken wir die tiefsten Einblicke in das „alltägliche Borşa“. Sie beschreibt den Überlebenskampf der Patientinnen und Patienten, ihre internen Handelswege um das Nötigste und erlebte engagiertes, aber auch hilfloses und nicht hilfreiches Personal.






unter die Lupe nehmen.
BORSA
Die Straße von Cluj Richtung Dej ist um Welten
besser. Erst kurz vor Borşa ein Pferdewagen.
Offiziell und herausgeputzt bekundet ein
Schild „bine ati venit in Borşa“ – „Herzlich
Willkommen
in Borşa“.
In Ruhe spazieren wir mit der Managerin Frau
J. durch den Hof. Es wird kaum noch gebettelt.
Hie und da eine Frage nach einem Leu
oder einer Zigarette. Aber kein quälendes Ringen
mehr um ein NEIN.
DAS SCHLOSS UND ANDERE RÄUME
Es sei ruhiger geworden, erklärt mir ein Mitarbeiter.
Es riecht nicht mehr nach ungewaschenen
Menschen im Schloss. Noch immer sind
hier zu viele psychisch kranke Menschen in
einem Saal. Doch jeder hat ein eigenes Bett,
ein sauber bezogenes.
DIE GESCHLOSSENEN BEREICHE
gibt es auch
heute noch. Der Garten dieses Bereiches lässt
noch an Schreckensbilder erinnern.
Die Patienten
liegen auf Bänken, sitzen im Schatten,
gehen im Kreis und vertreiben sich hier den
Tag und die Jahre. Noch immer haben es die
Schwächsten in Borşa am wenigsten gut – sie
sind
in den dichten Sälen untergebracht, die
der Öffentlichkeit und unseren Fotografien
vorenthalten bleiben sollen.
Es gibt FRISUREN im Spital. Mit Haaren sind
Patienten mehr Mensch! Ich erinnere die
beschämende Szene, als die Patientinnen in
Reihe standen und darauf warteten, dass
ihnen die Haare geschoren wurden. SELBSTGEFÄRBT,
wird mir jetzt entgegen gerufen.
KLEIDER UND SCHUHE
gäbe es genug.
Wer 2006 nicht selbst waschen konnte, hatte
die Wahl: entweder kleidete er sich
in Schlafanzüge, oder er bezahlte eine Mitpatientin,
die ihm die Kleider in einer Waschschüssel
am
Brunnen wusch. Der Garten war durchkreuzt
mit bunter Wäsche auf Leinen. Im Wäldchen
dahinter loderten brennende Wäscheberge.
Man versuchte so der Parasiten Herr zu werden.
Leider gäbe es immer noch zu wenige
Schränke. Zwar besitze seit der Theaterprojektaktion
fast jeder Patient eine eigene Holzkiste
doch immer fehle Platz. Neben einem
Plastikrosenkranz
tragen die meisten Patienten
deshalb nun einen Schlüssel um den Hals.
A. hält die Stellung als Kunsttherapeutin seit
2003. In einem kleinen Kämmerlein begann
sie mit Patienten gestalterisch zu arbeiten.
Wie eine bunte Insel im grauen Klinikalltag
wirkte ihr Atelier damals. Inzwischen arbeiten
vier Mitarbeiter im Ergotherapiehaus. Drei
große Räume bieten vierzig Patienten Platz,
tätig zu sein“.





NEUBAU
Nach vielen Jahren des Planens und Bauens konnte 2019 der Klinikneubau in Borşa bezogen werden. Steuermittel des Kreises und des Landes haben das ermöglicht. Die immer öffentlicher werdenden desaströsen hygienischen Verhältnisse im „Schloss Banffy“ haben den politischen Druck so erhöht, dass Veränderung unausweichlich wurde. Wir hätten zwar einen Neubau in Cluj-Napoca viel mehr begrüßt – ca. 100 der etwa 200 Patientinnen und Patienten in Borşa kommen aus der Kreishauptstadt. Jedoch sind zumindest die sanitären Bedingungen für die dortigen Bewohner jetzt deutlich besser.